“Ich scherze gerne, dass ich über das Pendeln zum Radreisen gekommen bin und dass meine Pendelstrecken einfach immer länger und länger wurden…”
Hailey Moore ist nicht nur eine Freundin von Passenger , sondern auch eine echte Bikepacking-Expertin. Sie ist schon auf allen möglichen Kontinenten in die Pedale getreten und hat jede Menge Erfahrung – und dazu ein paar ziemlich gute Geschichten im Gepäck.
Wir wissen, dass ein solides Setup—ja, wir lernen auch noch den Jargon– ganz schön ins Geld gehen kann. Und Lycra ist auch nicht jedermanns Sache. Wir selbst mögen’s lieber locker sitzend und weniger auf Figur geschnitten. Aber wenn du das volle Setup hast, mit Klickpedalen und allem drum und dran – bist du trotzdem herzlich willkommen. Und falls du ganz neu in der Welt des Radreisens bist, setz dich ruhig dazu. Nur erwarte in nächster Zeit kein Passenger Trikot...
Lern Hailey bei ein paar Fragen und einer starken Tasse Kaffee näher kennen. Hier lesen.
Geschrieben von Hailey Moore

Ich bin wahrscheinlich wie die meisten Kids zum Radfahren gekommen: Mit sechs, im Park, erst mit Stützrädern, dann ohne. Auf alten Fotos sieht man mich mit flatternden Haaren, weit aufgerissenen Augen und offenem Mund – total begeistert von dieser neuen Freiheit. Mein Stiefvater joggt ein paar Meter hinter mir, bereit, mich aufzufangen, wenn’s wackelig wird.
Während meiner Highschool-Zeit habe ich mein Fahrrad weiterhin genau dafür genutzt: als eine Art Übung in Selbstständigkeit, die es mir – je älter ich wurde – erlaubt hat, mich immer weiter von den elterlichen Sicherheitsnetzen zu entfernen. Als Teenager waren Fahrräder mein Weg, kleine Grenzüberschreitungen auszuleben – sie waren für mich ein wichtiges Ventil für das wachsende Bedürfnis nach Unabhängigkeit. Auf dem Heimweg von Freunden konnte ich bewusst Umwege nehmen, den iPod auf den Ohren, ganz gemütlich über Nebenstraßen kurven. Und ja, ein paar Mal – wenn das damals noch namenlose FOMO einfach zu groß war – hab ich mein Rad nachts heimlich aus dem Schuppen geschlichen, es leise über den Rasen getragen, um niemanden zu wecken, und bin dann einfach losgefahren – natürlich lange nach der offiziellen Ausgangszeit (sorry, Mama!)...
Regelmäßig war es ein kleines Highlight, neue Schleichwege zu meinem Wochenendjob zu finden. Oft hab ich mir unterwegs noch schnell einen Kaffee geholt – kam dann zwar schweißgebadet und zu spät an, aber verbrachte die ersten Minuten meiner Schicht im Kühlraum, also halb so wild. Ich war als Kind ziemlich ungeduldig – und entsprechend auch ein ungeduldiger Autofahrer. Der langsame Verkehr hat mich oft wahnsinnig gemacht. Mit dem Rad konnte ich all die aufgestaute Energie in die Pedale stecken – und hatte wenigstens das Gefühl, dass ich selbst bestimme, wie schnell es vorwärtsgeht. Klar, mit einem klobigen Hybridrad schafft man es kaum, schneller als erlaubt zu fahren – aber allein der Versuch tat richtig gut.

Während des Studiums und kurz danach spielte Fahrradfahren keine große Rolle. Ich hab in einer kleinen Bergstadt studiert, und da gab’s weder eine gute Infrastruktur fürs Pendeln noch flache Straßen – mein schweres Hybridrad war da eher ein Einbahnstraßen-Fahrzeug: runter zur Uni super, aber abends bin ich dann oft zu Fuß mit meinen radlosen Mitbewohnern zurückgelaufen – Rad schiebend. Bevor ich die Stadt 2014 verlassen hab, hab ich es verkauft – wahrscheinlich für so viel wie ein Tank Benzin. Es sollten noch zwei Jahre und einige Roadtrips quer durch die USA vergehen, bis ich mir wieder ein Rad zulegte.
Ende 2016, als ich nach Boulder, Colorado gezogen bin, war mein alter Pendeltrieb plötzlich wieder da. Ich hab mir ein Singlespeed mit schwerer Übersetzung zugelegt – und sag gern im Scherz, dass ich übers Pendeln zum Biketouring gekommen bin… meine Arbeitswege wurden einfach immer länger. Und da steckt auch ein bisschen Wahrheit drin: Noch bevor ich ein richtiges Tourenrad hatte, hab ich mir mal das Rad von einem Freund geliehen (und die Taschen von jemand anderem), um über 30 Meilen nach Denver zu einem dreitägigen Arbeitsmeeting zu fahren. Die Strecke selbst war nicht besonders hübsch – viele Vororte, viel Stadt – aber auf diesem Trip hab ich zum ersten Mal richtig gemerkt, wie krass das Fahrrad als Mischung aus praktischem Werkzeug und Freiheit funktionieren kann. Das war echt ein Aha-Moment.
Im Herbst 2018 hab ich dann mit meinem langjährigen Partner angefangen, richtige Langstreckenfahrten zu machen – eine große Schleife um den Pikes Peak (Tava Mountain) und später nochmal rund um den White Rim in Moab. Seitdem hab ich unzählige Touren gemacht – quer durch die USA und auch international – und bei ein paar Bikepacking Events mitgemacht. Unterwegs krieg ich ständig Fragen zu meiner Ausrüstung, wie ich meine Routen plane oder was man so rund ums Radreisen wissen sollte. Hier sind ein paar der häufigsten Dinge, die mir gestellt werden...


Also Hailey, was genau ist eigentlich Bikepacking? Ist das wirklich was anderes als die klassischen Radtouren mit Gepäck?
“Es gibt da tatsächlich so eine Art Grundsatzdiskussion, was genau mit Bikepacking und Biketouren/ Radtouren gemeint ist. Biketouring gibt’s natürlich schon viel länger – das war ursprünglich einfach mehrtägiges Radreisen mit Packtaschen vorne und hinten, die an Metallträgern befestigt waren."
“Bikepacking kam dann so Anfang der 2000er auf – als Firmen anfingen, “Soft Mount”-Taschen anzubieten, die man direkt am Rahmen befestigen konnte, ganz ohne Metallträger. Das hat das Gewicht reduziert, weniger mechanische Probleme verursacht und ermöglicht, mit dem Rad auch durchs Gelände zu fahren, wo Träger eher hinderlich wären. Dieser fast-and-light Bikepacking Stil wurde dann auch schnell mit Ausdauerrennen verbunden, die über mehrere Tage oder sogar Wochen gehen. Seitdem ist der Begriff ziemlich weit verbreitet".
“Auch wenn der Begriff Bikepacking inzwischen in der Alltagssprache weitgehend den klassischen Begriff Radtouren verdrängt hat, bestehen manche weiterhin darauf, dass beide unterschiedliche Denkweisen verkörpern: Radtouren gelten eher als entspannte Angelegenheit, während Bikepacking von Natur aus etwas Wettkampforientiertes oder zumindest Schnelleres an sich hat.”

Welches Bike ist das richtige für Bikepacking? Braucht man da gleich spezielles Equipment?
“Das beste Bike ist das, das du schon hast”, dieser Satz fällt ziemlich oft, wenn’s um das richtige Setup fürs Bikepacking oder Radtouren Setups geht. Und ich finde, gerade für Einsteiger steckt da viel Wahres dran. Denn ganz egal, welche Art von Radfahren: Es kann schnell ein teures Hobby werden, wenn man ständig dem neuesten Equipment hinterherjagt."
“Jedes Bike kann ein Touring Bike sein wenn man bereit ist, seine Grenzen zu akzeptieren und damit umzugehen. Wenn dein altes Rennrad oder Crossbike zum Beispiel keine Gepäckträgerösen hat, musst du eben ein bisschen kreativer werden, was das Befestigen deiner Ausrüstung angeht. Zum Glück gibt es heute viele Hersteller, die clevere Lösungen dafür anbieten.”
Und was ist mit der Ausrüstung? Erzähl uns von deinem Aufbau…
“Wenn du keine Ösen an der Gabel oder am Rahmen hast – kein Problem. Es gibt z. B. von King Cage’s Univseral Support Bolt, damit kannst du auch an Metallgabeln Taschen montieren. Firmen wie Old Man Mountain Racks oder Tailfin haben mittlerweile Träger, die über die Achse funktionieren – also echt viele Optionen. Und was Taschen angeht, gibt’s inzwischen mehr Auswahl als je zuvor – von kleinen, handgefertigten Marken bis zu großen Ketten wie REI. Ich bin z. B. Markenbotschafterin für Swift Industries, eine der ersten Firmen, die richtig gute Bikepacking-Taschen gemacht haben. Leih dir erstmal Ausrüstung von Freunden oder check Second-Hand-Plattformen. Hauptsache, du kommst erstmal raus und fährst los!.
“Ich würde empfehlen, erst einmal mit dem Fahrradequipment loszulegen, das für dich am einfachsten zugänglich ist, und ein paar Touren damit zu machen, bevor du größere Investitionen in deine Ausrüstung tätigst. Der beste Weg, um herauszufinden, was du wirklich brauchst – sowohl beim Equipment als auch bei der Wahl der Routen – ist schlicht durch Erfahrung. Wenn du merkst, dass du dich eher zu technischen Trails oder Singletracks hingezogen fühlst, könnte ein tourentaugliches Hardtail eine gute Wahl sein. Wenn du dagegen lieber auf glatten Wegen unterwegs bist und gerne Strecke machst, passt vielleicht ein Allroad- oder schlankes Gravelbike besser zu dir – als elegante und effiziente Basis für deine Touren.”



Hast du Tipps zum Bikepacking-Bike-Kauf? Worauf sollte man achten, was besser vermeiden?
“Ganz gleich, für welches Fahrrad du dich beim Radtouren oder Bikepacking entscheidest – ein paar Grundregeln können das Fahrerlebnis deutlich verbessern. Ein wichtiger Punkt ist das Rahmenmaterial: Metallrahmen aus Stahl oder Titan bieten in der Regel ein ruhigeres, komfortableres Fahrgefühl als Carbon, sind dafür aber meist etwas schwerer. Eine gute Kombination ist ein Stahl- oder Titanrahmen mit einer Carbongabel – das bringt ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Komfort und Gewicht. Zudem sind Metallrahmen im Allgemeinen langlebiger. Egal, welches Rad du fährst: Wenn dein Rahmen lackiert ist, lohnt es sich, transparente Rahmenschutzfolie an den Stellen anzubringen, wo die Gurte deiner Bikepacking-Taschen scheuern – typischerweise am Oberrohr, Unterrohr und eventuell am Steuerrohr. So vermeidest du unnötigen Verschleiß am Lack."
“Die Reifenbreite für Radtouren und Bikepacking sollte sich in den meisten Fällen vom täglichen Fahren unterscheiden: Breitere Reifen bieten mehr Stabilität beim Lenken eines beladenen Fahrrads und helfen auch, mehr Unebenheiten auf deiner Route zu absorbieren – Straßennähte, gewellter Kies usw. – was den Stress an deinen Kontaktpunkten (Hände und Gesäß) verringern kann. Schließlich bin ich der Meinung, dass die modernen Verbesserungen in der Reifen- und Bremstechnik das Erlebnis des Reisens mit dem Fahrrad drastisch verbessert haben: Scheibenbremsen bieten deutlich mehr Bremskraft als Felgenbremsen (ein nicht zu vernachlässigendes Thema, wenn dein Fahrrad 10-20 Pfund zusätzliches Gepäck hat), und schlauchlose Reifen bieten zusätzlichen Schutz gegen Pannen auf dem Trail."
“Sobald du festgestellt hast, was du mitnehmen kannst und wie du es transportieren willst, lass dein Setup bestimmen, wohin du fährst. Um das Beispiel des alten Straßenrahmens oder Crossbikes nochmal aufzugreifen: Diese Räder werden dir am besten auf asphaltierten oder (sehr glatten) Schotterstrecken dienen.”

Essentielle Ausrüstungsliste?
“Meine Ausrüstungsliste sieht fast genau gleich aus, egal ob ich für eine Übernachtung oder eine mehrwöchige Reise unterwegs bin. Ich könnte ein paar mehr Annehmlichkeiten für eine Radtour im Vergleich zu einem Bikepacking Rennen, mitnehmen, aber ich versuche, nicht zu viele wesentliche Dinge wegzulassen (oder mich andererseits zu überlasten), weil ich für alle erwarteten Wetterbedingungen und Situationen vorbereitet sein möchte. Ich habe das Gefühl, dass ich mit etwas weniger auskommen kann, wenn ich Routen fahre, die ich hier in Colorado, bereits kenne, und/oder Routen, die häufiger durch Städte führen. Für abgelegene Fahrten oder Routen in unbekannten Regionen neige ich eher zur Vorsicht.”

Abschließend noch ein paar Gedanken zur Routenplanung: Gibt es gute GPS-Apps, die erwähnenswert sind?
“Sobald du festgelegt hast, was du mitnehmen kannst und wie du es transportieren möchtest, lass die Ausrüstung, die du dir zusammengestellt hast, bestimmen, wohin du fährst. Um das Beispiel des alten Straßenrahmens oder Crossbikes nochmal aufzugreifen: Diese Fahrräder sind am besten auf asphaltierten oder (sehr glatten) Schotterstrecken unterwegs."
“Glücklicherweise hat das digitale Zeitalter es einfacher denn je gemacht, bestehende Touren- und Bikepacking-Routen zu finden: Websites wie The Radavist und Bikepacking.com teilen regelmäßig geprüfte Routen, während Apps wie Ride With GPS und Komoot sich auf die Routenplanung konzentrieren. Um loszulegen, bewerte die Fähigkeiten des Fahrrads, das du mitnehmen möchtest, und lass deine Ausrüstung das Gelände bestimmen. Wenn du mit viel Gummi unterwegs bist und das Gefühl hast, dass die Welt mit gemischten Oberflächen dir offensteht, könntest du deine Route um ein bestimmtes Ziel planen, in dem du gerne Zeit verbringen möchtest (z. B. ein malerisches Berg- oder Küstenstädtchen oder eine große Stadt – achte einfach darauf, sichere Radwege zu finden, um in letztere zu gelangen)."
“Alternativ werde ich oft von beeindruckender Geografie inspiriert; eine Route, die ich im Sommer 2023 erkundet und geteilt habe, umrundet eines der ikonischsten Gebirgsmassive Colorados. Wenn du dich für eine bestehende Route entscheidest, solltest du unbedingt die GPX-Datei auf mehreren Geräten speichern – für den Fall, dass eines ausfällt. Und natürlich: Eine klassische Papierkarte oder ein Spickzettel mit Wegpunkten ist immer eine zuverlässige Rückfallebene."
“Wenn du von Grund auf neu beginnst, bieten die meisten Apps wie Ride With GPS, Komoot und Strava sogenannte "Heatmaps" an, damit du sehen kannst, wo andere gefahren sind. Unabhängig von deinem Routenplanungsansatz ist es immer eine gute Idee, Ausstiegspunkte oder alternative Abkürzungen entlang der Strecke zu markieren, falls die Reise nicht wie geplant verläuft. Und natürlich solltest du sicherstellen, dass du mit den Abständen zwischen Nachschubmöglichkeiten und Campingplätzen vertraut bist.”

Es gibt einfach nichts Besseres, als sich auf den Weg zu machen, in die Pedale zu treten und sich ganz bewusst ein bisschen zu verfahren. Raus ins Abenteuer, den Trail feiern und den langen Weg nach Hause nehmen. Dabei warten garantiert wunderschöne Sonnenuntergänge, gute Vibes und Geschichten, die du später mal erzählen wirst. Warum teilst du sie nicht mit uns?